* Beobachtungsbericht vom Merkurdurchgang, Mittwoch, 7. Mai 2003 *


Die Fotos zu diesem Bericht stammen von Hans Bredel, Wolfgang Sorgenfrey, Gerhart Metzler und Rudolf Prinz,
der Text von Christian Flick aus persönlicher Sicht.

 

So, jetzt ist es soweit, 7. Mai 2003, Merkurdurchgang.

Der Vortag liess nicht unbedingt Gutes erwarten, denn der Dienstag war schwül warm gewesen mit erheblichem Dunst in der Luft. Noch eine testweise Beobachtung gegen 18 Uhr mit dem TAL2 150/1200 zeigte eine milchige, kontrastarme Sonnenscheibe mit einem matschigen Sonnenflecken in der Mitte.
Schliesslich verdichtete sich der Dunst zu einem wabernden Gemenge, das teilweise die Sonne gänzlich verschluckte.
Einige Stunden später zeigte ein Blick auf den Mond noch keinerlei Verbesserung. Wahrlich keine keine besonderen Aussichten.

Hans Bredel hatte sich schon früh festgelegt und per Presse kurzerhand den Kapellenweg zur öffenlichen Pilgerstätte für Sonnen- und Merkurinteressierte Mitmenschen deklariert.
Ich schloss mich also dieser Intiative an und opferte einen Urlaubstag, um neben seinem heimischen Refaktor Vixen 110/1500 das TAL2 aufzubauen. Nicht nur um nicht in Konkurrenz zu treten, sondern einfach weil es mir bei Publikum sinnvoll erschien, hatte ich am Dienstag noch schnell einen Projektionsschirm 'zusammengenagelt'. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte.

Den ersten Kontakt miterleben wollen bedeutete zeitiges Aufstehen, um - so die Planung - gegen 7 Uhr zunächst auf dem Schönberg zur Stelle zu sein. Ein abendliches Telefonat mit Hans Bredel hatte nämlich ergeben dass dieses von seiner 'Sternwarte' aus nicht zu sehen sein würde. Weit vor dem Schönberg lockte mich in Reichenbach dann jedoch die Aussicht auf einen elterlichen Kaffee, sodass ich am Nordhang des Gereutertals das TAL aufbaute.


So scharf war Merkur
im Okular zu sehen.
In der Sonnenmitte ein Sonnenfleck
Merkur sollte sich also irgendwo 'unten rechts' im Okular zeigen.
Da Teleskope alles auf den Kopf stellen was man ihnen zeigt, sollte Merkur also in Wirklichkeit von Osten nach Westen die Sonnenscheibe queren, übereinstimmend mit der Bewegungsrichtung um die Sonne, die alle Planeten, auch die Erde, gemeinsam haben.
Im Gereut zeigte sich kurz vor 7 Uhr - keine Sonne, sondern eine Wolkenbank, die jene verdeckte. Die Sonne stieg jedoch rasch höher - die Spannung stieg - und erschien schliesslich um 7 Uhr unverhüllt über dem Dunst.

Ich wusste nicht genau was mich erwartete. Ein schwarzes Fleckchen, kaum zu unterscheiden von eim Stäubchen auf dem Okuar, oder ein verwaschenes Scheibchen, so ähnlich wie ein kleiner Sonnenfleck?
Gegen 7.10 Uhr meinte ich am Sonnenrand eine kleine Delle zu entdecken. Diese fraß sich binnen weniger Minuten in die Sonnenscheibe hinein. Ein rundes, überraschend grosses schwarzes und kreisrundes Scheibchen. Da war nichts verwaschen und nichts unscharf. Die Sonne hatte unversehends einen gleichsam mit dem Locher ausgestanzten Merkur.


Gisela
Ich blieb noch bis um 7.45, nahm dann den Kaffee in Empfang, und machte mich schliesslich auf zu H.B. um dort weiter die 'partielle Sonnenfinsternis' zu geniessen.
Oha! Die Fahrt durch das Kinzigtal in Richtung Offenburg zeigte Wolkenbänke an den Hängen und einen milchigen Himmel. Sollte es jetzt so weiter gehen wie es sich gestern angekündigt hatte? Ich tröstete mich bereits mit dem Gedanken, ja die ersten beiden Kontakte erlebt zu haben (1. Kontakt: Merkur berührt von aussen die Sonnenscheibe, 2. Kontakt: Merkur löst sich vom inneren Rand der Sonne und macht sich zur Durchquerung auf)

Nun ja, in Offenburg angekommen, nach einer Geduldsprobe im Berufsverkehr, nach Überwindung der Offenburger Ewigkeitslichter (Ampeln), nach Durchtunnelung mindestens einer Baustelle, und dem Beiseiteräumen einer Fahrbahnsperre war zumindest wieder die Sonne zu sehen, und ein Blick in den Kapellengarten zeigte mir, dass auch Kollege Bredel bereits voller Zuvericht mit Gästen zugange war.


Projektionsschirm mit Sonnennabbild

Balance tut not.
Nun sollte das TAL aufgebaut werden, aber mit Projektionsschirm. Letzter schien mir wohl gelungen zu sein, denn ich hatte ihn recht sauber hingekriegt, und er hatte eine homogene, strukturlose und wenig spiegelnde, weisse Oberfläche. Aber dies alles hatte seinen Preis: deutlich mehr Gewicht, als der Tubus auf der anderen Seite der Polachse dagegenhalten konnte.
Ferner musste auch der Tubus selbst seiner Längsachse entlang ziemlich aus der Balance herausgerückt werden, um mit der Sonne aus dem Okular den Schirm zu treffen.
Glücklicherweise waren mir gleich mehrere Gäste zur Hand, sodass nach einiger Improvisation zunächst alles im Lot war. Als Gegengewichte kamen u.a. 2 alte Trafos, sowie ein wohl noch älteres Bügeleisen zum Einsatz. Man beachte auch die fachmämmische Befestigung der Gewichte an der Fangspiegelspinne. (...)

Schliesslich erschienen auf dem Schim Merkur samt Sonne, einigen Flecken und Fackeln, und der sehr gut sichtbaren Randabdunkelung der Sonne.

Schön, diese bis zu 30 cm grosse Sonnenscheibe, auf der man herumdeuten konnte ohne sich die Finger zu verbrennen, und zugleich ein sehr ästethischer Anblick.


Die Reflektoren

Schade daß Gerhart bald wieder gehen musste.
Wer es genauer wissen wollte, konnte zunächst durch den 76/700 Tchibo-Newton blicken, der 'wie ein grosser' ein sehr brauchbares Bild lieferte. Es reichte zwar heute nicht ganz bis zur Sichtbarkeit der Granulation, denn der Himmel war nicht ganz durchsichtig.

Der 11/900 von Gerhart Metzler brachte jedoch das fehlende Quentchen Spiegelöffnung, um das Geblubbere auf unserer Sonne zu zeigen.


verschärft: Der Hausherr mit Refraktor und Bino
Den Hauptpreis bezüglich Schärfe und Kontrast steht jedoch eindeutig Hans Bredels Refraktor zu, welcher mit einem Binokular bestückt so ziemlich das beste bot was ich bislang von bzw. auf unserer Sonne gesehen habe.

Dieser Anblick vergoldete gewissermassen die gesamte Merkurstory und wird sich mir ähnlich ins Gedächnis gebrannt haben wie die Sonnenfinsternis an jenem Augusttag 1999.

Merkur schwebte fast plastisch vor einer Sonnenscheibe, deren Granulation zeitweise wie eine Strukturtapete oder eine dünne, schwarz unterlegte Styroporplatte wirkte. Das klingt zwar gänzlich unromantisch, beschreibt aber ziemlich genau die optische Erscheinung.


Erstaunlich gut: Sonne mit der "Digiknipse" ins Okular geschaut
Merkur ist oben links

im Wissen um die lange Tradition
chinesischer Astronomie...

...da geht die Post ab
 

Den ganzen Vormittag über kamen Interessierte und liessen sich von dem seltenen Anblick fesseln. Gleichwohl blieb einem jeden an den Geräten genug Zeit, zu verweilen und die Eindrücke wirken zu lassen.

Zwischendurch hat es sogar Alois Ehret geschafft sich von seiner nahen Baustelle abzuseilen, und einen Blick in die Röhren zu werfen.


Alles im legalen Bereich?

alle wollen nur das Eine...
Zweitweilig waren also 4 AVOler da, an Gästen schätze ich etwa 40 Personen, inklusive Briefträger und Polizei...

Ein Gast liess Grüsse von Jürgen Zittlau ausrichten, daher an dieser Stelle ein 'merci', und: wir waren im Geiste bei Dir, Jürgen, und können uns vorstellen, dass Du gerne dabei gewesen wärst. Hans und ich haben auch noch fleissig AVO-Flyer verteilt, welche gerne mitgenommen wurden, bekundeten doch mehrere Gäste das Bedürfnis mehr über den AVO erfahren zu wollen; sogar mit einem Eintritt wurde 'gedroht'. Zwischendurch ging uns einmal kurz die Orientierung verloren, wo genau denn Merkur den ersten Kontakt mit der Sonne hatte. Aber bald - zur bekannten Mitte der 'Finsternis' - konnte dies mit Leichtigkeit abgeschätzt werden.


noch ein Chinese


Welches Okular passt wohl?
Die Beobachtungen wurden eigentlich alle mit schwachen bis mittleren Vergrösserungen durchgeführt, i.d.R. 100fach, sodass mindestens die halbe Sonnenfläche im Okular stand. Alles andere hätte wohl auch den starken Gesamteindruck zerstört. Aber welche Vergösserung hat man am Projektionsschirm? Mal sehen: Wenn wir, sagen wir, 150 cm Abstand zum Schirm rechnen und ein Sonnenbild von 30 cm auf dem Schirm, dann sind das etwa 11,5 Grad, sprich 23 mal 0,5 Grad (d.i. der wahre Sonnendurchmesser am Himmel), also 23-fach. So wenig, sieh an.

Das Baby, oder: billig heisst nicht schlecht


who's that girl?

Der Himmel wurde immer besser, bei Aufkommen von leichtem Wind. Zwar zeigte sich hartnäckiger Cirrus, sowie eine allgemeine Dunstglocke, die den ganzen Tag nicht verschwinden sollten, aber sonst war es um die Mittagszeit um die Sonne herum fast blau.
Natürlich ist ein tiefblauer, knochentrockener Himmel bis runter zum Horizont etwas TOTAL anderes, aber ich beklage mich ja nicht...

Merkur machte sich nun auf die Socken. Die Bewegung des 'Gestirns' in seiner Umlaufbahn wurden um so sichtbarer je näher es dem inneren Sonnenrand kam. Schliesslich der 3. Kontakt, und, man ahnt es, 3 Minuten später der 4. Kontakt, der eigentlich gar keiner mehr ist, denn wo kann etwas ein wo nichts mehr ist ??? Das Verschwinden von Merkur war übrigens ein knackscharfer Übergang, ohne 'Tröpfchenbildung' etc.

Trotz oder als Ausgleich zur Arbeitnehmerfeindlichen Veranstaltungszeit hat uns Merkur ein lehrreiches und unvergessliches Erlebnis beschert.

Zum Abschluss dieses Berichts zwei überaus schöne Bilder unseres Mitglieds Wolfgang Sorgenfrey vom Merkuraustritt. Die Zeitangaben sind in Universal Time (UT), also müssen wir 2 Stunden dazurechnen. Beide Fotos wurden mit seinem 150/3000mm Eigenbau-Faltrefraktor gemacht, unter Verwendung eines speziellen Filters (h-Alpha), daher die rote Farbe. Der untere schwarze Teil ist eine Kegelblende des Unigraphen.


 

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